Robert Schumann (1810–1856) gilt als einer der bedeutendsten Komponisten der Romantik. Sein Werk zeichnet sich durch poetische Tiefe, emotionale Ausdruckskraft und
einen starken inneren Zusammenhalt zwischen Musik und Literatur aus. Besonders faszinierend ist seine 3. Sinfonie in Es-Dur op. 97, die sogenannte „Rheinische“,
die nicht nur ein musikalisches Zeugnis seiner reifen Schaffensperiode ist, sondern auch ein Spiegelbild seiner inneren Welt kurz vor dem tragischen Ende seines Lebens.
Die 3. Sinfonie „Rheinische“ (Es-Dur op. 97)
Schumann komponierte die „Rheinische“ Sinfonie im Jahr 1850, kurz nachdem er die Stelle als Musikdirektor in Düsseldorf angetreten hatte. Die Stadt am Rhein und ihre
lebendige, festliche Atmosphäre inspirierten ihn zu einem Werk, das sich von seinen früheren Sinfonien durch eine besonders volkstümliche, heitere und rhythmisch
energische Sprache abhebt. Die Uraufführung fand am 6. Februar 1851 unter seiner eigenen Leitung in Düsseldorf statt.
Die Sinfonie besteht aus fünf Sätzen – ungewöhnlich für die damalige Zeit, da Sinfonien meist vier Sätze hatten. Schumann folgt hier einer freien Form, die möglicherweise
von Beethovens Pastoral-Sinfonie beeinflusst ist.
Lebhaft – Der erste Satz beginnt mit einem schwungvollen, triumphalen Thema, das oft als musikalische Darstellung des Rheins selbst interpretiert wurde. Die Musik wirkt
beschwingt, kraftvoll und optimistisch.
Schlicht – Ein ruhiger Ländler im zweiten Satz, der volkstümliche Tänze zitiert und die rheinische Landschaft musikalisch einfängt.
Nicht schnell – Ein lyrischer, pastoraler Satz, der als Intermezzo dient. Hier dominiert eine intime, fast kammermusikalische Atmosphäre.
Feierlich – Der wohl bedeutendste Satz der Sinfonie. Inspiriert durch einen Besuch im Kölner Dom, spiegelt dieser Satz eine Art geistliche Erhabenheit wider. Die
Musik wirkt wie ein sakrales Ritual – getragen, ernst und mit monumentaler Klangfülle.
Lebhaft – Der letzte Satz bringt die Sinfonie zu einem versöhnlichen, lebensbejahenden Ende zurück, mit schwungvoller Energie und rheinischem Optimismus.
Obwohl Schumann selbst keine programmatische Deutung ausdrücklich veröffentlicht hat, gilt es heute als sicher, dass persönliche Eindrücke – insbesondere die rheinische
Kultur und Natur – die Sinfonie stark geprägt haben.
Psychische Krankheit und Selbstmordversuch
Bereits seit seiner Jugend litt Schumann unter psychischen Problemen, die sich im Lauf seines Lebens verschärften. Er schwankte zwischen Phasen intensiver Kreativität und
tiefen Depressionen. Zeitweise glaubte er, von Geistern heimgesucht oder von Engelschören inspiriert zu werden.
Im Februar 1854 verschlechterte sich sein Zustand dramatisch. Schumann litt unter akustischen Halluzinationen – er hörte Musik, die nicht da war, darunter angeblich ein
„Engelskonzert“, das in ein „Höllenkonzert“ überging. Am 27. Februar 1854 versuchte er, sich das Leben zu nehmen, indem er sich in den Rhein stürzte. Er wurde jedoch von
Fischern gerettet und nach Hause gebracht.
Nach diesem Vorfall bat er selbst darum, in die Heilanstalt Endenich bei Bonn eingeliefert zu werden, wo er die letzten zwei Jahre seines Lebens verbrachte – weitgehend
isoliert von der Außenwelt.
Robert Schumann starb am 29. Juli 1856 im Alter von nur 46 Jahren in der psychiatrischen Klinik in Endenich. Die genaue Todesursache ist bis heute nicht eindeutig geklärt –
diskutiert werden Syphilis, eine bipolare Störung oder eine neurodegenerative Erkrankung. Sicher ist nur: Er starb geistig umnachtet, weit entfernt von der Welt, die
ihn einst gefeiert hatte.
Seine Frau Clara Schumann, selbst eine bedeutende Pianistin und Komponistin, durfte ihn erst kurz vor seinem Tod noch einmal besuchen. Diese Begegnung war von großer
Emotionalität geprägt, doch Schumann war zu diesem Zeitpunkt kaum noch ansprechbar.
Nachklang
Die 3. Sinfonie bleibt als letztes großes Orchesterwerk Schumanns ein leuchtender Moment in einem Leben voller Dunkelheit. Sie steht am Übergang vom schöpferischen Leben
zum tragischen Ende – ein Werk von heiterer Kraft, das im Kontrast zu seinem seelischen Zerfall steht.
Schumann selbst sagte einmal:
„Ich bin ein Künstler, der durch Leiden gegangen ist.“
Und doch hinterließ er der Welt eine Musik, die weit über sein persönliches Leiden hinausreicht.